Die Rheumatologie beschäftigt sich, wie der Name sagt, mit den „rheumatischen“ Erkrankungen. Dieser Begriff ist etwas irreführend, er kommt aus dem griechischen und bezieht sich auf die „Lehre von den Körpersäften“ („Rheo, ich fließe“).  Mit „Säften“ hat die Rheumatologie eigentlich nicht so viel zu tun, sondern eher mit der Funktion und Störungen im Immunsystem. Mit „Rheuma“ ist nicht nur einziges Krankheitsbild gemeint: es ist eher ein Oberbegriff für Erkrankungen, die ca. 200 Krankheitsbilder umfasst. Grob unterteilen kann man diese in nicht entzündliche und entzündliche Erkrankungen. Mit den nicht entzündlichen Krankheitsbildern beschäftigen sich vorwiegend die orthopädischen Rheumatologen und Orthopäden, die oft auch operativ tätig sind. Die entzündlich rheumatischen Systemerkrankungen – also die mit einer „Fehlregulation im Immunsystem“ - kann man weiter unterteilen in die Arthritiden und die Systemerkrankungen, letztere wiederum in die Autoimmunerkrankungen und die Autoinflammatorischen Erkrankungen.

Einige dieser Erkrankungen, insbesondere die degenerativen Krankheitsbilder, sind sehr häufig, ebenso die Rheumatoide Arthritis und die Spondyloarthritiden mit einer Prävalenz von je ca. 1%. Andere, insbesondere die Systemerkrankungen wie der Systemische Lupus Erythematodes, die Systemsklerose, oder die systemischen Vaskulitiden, aber auch die autoinflammatorischen Erkrankungen sind selten und für den Nicht-Rheumatologen oft besonders schwer zu diagnostizieren und auch zu therapieren. Oft gelangen Patienten mit Systemerkrankungen auch primär zu einem Arzt einer andren Fachdisziplin, je nachdem, an welchem Organ die Erkrankung zuerst Symptome verursacht. Eine Übersicht über die Häufigkeiten der verschiedenen Erkrankungen finden Sie In Tabelle 1

  Prävalenz nach Literatur (%) Prävalenzannahme für Deutschland (%) Geschätzte Zahl Betroffene
Rheumatoide Arthritis 0,3-1 0,8 550.000
Axiale Spondyloarthritiden 0,1-1,4 0,8 550.000
Psoriasisarthritis 0,05-0,3 0,2 140.000
Kollagene und Vaskulitiden 0,04-0,8 0,3 210.000
Gesamter entzündlicher Formenkreis   2,1 1,45 Mio.
Juvenile Idiopathische Arthritis 0,1 0,1 13.000 Kinder
Arthrosen Je nach Falldefinition: 6 bis 20

Selbst berichtet:20
Ärztliche Diagnose:12
Medikamentös behandelt:7

13,6 Mio.
8 Mio.
4,8 Mio.
Zu Behinderung führende Rückenschmerzen - 11 6 Mio.
Osteoporose:
- Selbst berichtet - 8,5-9 ≥ 50 Jahre 2,8 - 3 Miio.
- Osteoporotische Deformitäten 12 ≥  50 Jahre 10,3 ≥  50 Jahre 3,4 Mio.
- Klinisch symptomatische Osteoporose 6 Gesamtbevölkerung 6 Gesamtbevölkerung 4,1 Mio.
Gicht 1,4 1,4 950.000
Fibromyalgie 1,3-3,8 2,1 1,5 Mio.

Die Zahl der Betroffenen beziehen sich (mit Ausnahme der JIA) auf die erwachsene Bevölkerung zum Stichtag 31.12.2014, für die JIA auf die Zahl der Kinder bis 18 Jahren am 31.12.2014

Aus: A. Zink und K. Albrecht, Wie häufig sind muskuloskeletale Erkrankungen in Deutschland, Z Rheumatol 2016; 7:, 346-353

Aktuell wird diskutiert, anstelle von rheumatischen Erkrankungen lieber von „Rheumatischen und mukuloskelettalen Erkrankungen“ zu sprechen (EULAR: Ten facts about Rheumatic and Musculoskeletal Diseases (RMDs) https://www.eular.org/myUploadData/files/EULAR_Ten_facts_about_RMDs.pdf)

Betrachtet man diese Zahlen, dann handelt es sich bei den „RMD“ um eine „Volkskrankheit“, die ähnlich großen wirtschaftlichen Schaden anrichtet, wie die bereits anerkannten Volkskrankheiten Diabetes, Hypertonie und Asthma

https://link.springer.com/journal/393/70/6/page/1

https://www.aerzteblatt.de/archiv/187193/Kardiovaskulaere-Komorbiditaeten-bei-entzuendlich-rheumatischen-Erkrankungen

https://www.anna-seidinger.com/pdf/FAZ_Rheuma_20110826.pdf

Umso erstaunlicher ist es dann, dass es in Deutschland zu wenig Rheumatologen gibt, und deren Zahl sogar immer weiter abnimmt (https://www.dgrh.de/Start/Publikationen/Sonstige-Publikationen/Memorandum-der-DGRh.html). Woran liegt das? Es liegt nicht daran, dass das Fachgebiet für junge Ärzte oder Medizinstudenten nicht interessant wäre. Im Gegenteil, wer in seiner medizinischen Ausbildung einmal Kontakt mit dem Fachgebiet und den Patienten bekommen hat, möchte OFT (statt meist) auch Rheumatologe werden. Und ist er oder sie doch auf den Geschmack gekommen, sei es durch engagierte Lehrer / Vorgesetzte, durch Patienten oder auch durch Initiativen wie die „Rheumatologische Summer School“ oder die Rheumatologische Sommerakademie (www.rheumatologische-sommerakademie.de) dann gibt es das nächste Problem: eine Weiterbildungsstelle in einer entsprechenden Fachabteilung zu bekommen, denn von denen gibt es ja, wie erwähnt, viel zu wenigZwar können auch niedergelassene internistischen Rheumatologen für insgesamt anderthalb von drei Jahren weiterbilden, dies bleibt aber leider noch die Ausnahme.

Die aktuelle Situation in der universitären Aus- und Weiterbildung ist in der RISA Studie sehr gut dargestellt (Riemekasten G. et al., Z. Rheumatol. 2016; 75:493-501, https://dgrh.de/Start/Publikationen/Sonstige-Publikationen/RISA-III-Studie.html. )

In der Folge werden zu wenig internistische Rheumatologen ausgebildet, und die Anzahl der Fachärzte nimmt immer weiter ab, das heißt die Versorgung der Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen wird schlechter.

Die Rheumatologie krankt auch daran, dass sie ein sehr interdisziplinäres Fach ist, und gerade bei den Systemerkrankungen Symptome an diversen Organen (Haut, Auge, Lunge, Niere, Nervensystem, Magen-Darm-Trakt) und nicht nur am Bewegungsapparat auftreten können. Das ist zwar eigentlich positiv, denn so wird im Idealfall interdisziplinär zusammengearbeitet, und alle, insbesondere die Patienten, profitieren von der Zusammenarbeit, leider kommt es aber in den anderen Fachdisziplinen auch hin und wieder zu der Annahme, die Rheumatologen seien überflüssig, und man könne den „Rest“ doch mit übernehmen. Immunologisch besteht ein Zusammenhang zwischen den diversen Organmanifestationen, und die Therapie richtet sich eben nach dem Gesamtbild, das vorliegt. Zudem sind nicht nur die Krankheitsbilder komplex, die therapeutischen Möglichkeiten sind es (erfreulicher Weise!) inzwischen auch. Insofern ist es durchaus sinnvoll und wichtig, dass es eine spezifische Ausbildung für internistische Rheumatologen gibt, und dass diese die Differenzialdiagnosen beherrschen, die Therapie einleiten und anpassen und vor allem auch die Koordination zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen übernehmen, die die Patienten mitbetreuen.

Ein unbekanntes Wesen ist die Rheumatologie auch deshalb, weil in der Bevölkerung immer noch der Irrglaube herrscht, „Rheuma“ seien „krumme Gelenke und Rückenschmerzen bei alten Leuten“, oder „da kann man doch sowieso nichts machen, ist ja auch nicht tödlich“. Es ist viel zu wenig bekannt, dass es sich hier um Erkrankungen des Immunsystems mit sehr unterschiedlichen Ausprägungsformen handelt, dass diese Krankheitsbilder insgesamt häufig sind, in der Mehrheit Menschen im berufstätigen Alter oder sogar Kinder betreffen und dass diese zudem inzwischen gut behandelbar sind. Auf der anderen Seite ist bei fehlender oder zu später Behandlung das Sterberisiko deutlich erhöht.

Hamburg hat ca. 1,8 Millionen Einwohner. In der Stadt gibt es insgesamt 30 niedergelassene internistische Rheumatologen, die sich auf 12 Standorte verteilen (Praxen und MVZs). Das größte MVZ beschäftigt aktuell in Hamburg 14 internistische Rheumatologen. Zusätzlich gibt es 3 Klinikambulanzen (am AK Altona, am Marienkrankenhaus und am UKE). Die meisten stationär, rheumatologischen Betten werden am AK Altona (34) vorgehalten. Auch im UKE und im Marienkrankenhaus werden Patenten stationär versorgt. Zwischen dem UKE und der rheumatologischen Akut- und Rehabilitationsklinik am Klinikum Bad Bramstedt besteht eine Kooperation, wobei das Klinikum Bad Bramstedt zum Bundesland Schleswig-Holstein gehört.

Bei den entzündlich-rheumatischen Erkrankungen handelt es sich um chronische, und insgesamt nicht seltene Krankheitsbilder („Volkskrankheit“). Die Patienten mit einer derartigen Diagnose kommen im Verlauf ihrer Erkrankung regelmäßig zu Kontrollen, da auch nach Einleitung einer potenziell effektiven Therapie eine regelmäßige Überwachung sowohl des Therapieerfolges. Als auch der potenziellen Nebenwirkungen der Medikamente erforderlich ist. Bei nicht ausreichendem Therapieansprechen oder Nebenwirkungen muss die Behandlung frühzeitig umgestellt werden.

Orthopädische Rheumatologen gibt es 20 im niedergelassenen Bereich und drei im stationären Bereich, diese können gut bei der Diagnostik entzündlicher Krankheitsbilder am Bewegungsapparat (u.a. Rheumatoide Arthritis, Spondyloarthritiden) unterstützen und die Therapie i.d.R mit starten und auch monitoren. Bei komplexeren Therapien mit s.g. Biologika oder den s.g. kleinen Molekülen ist jedoch die Mitbetreuung der Patienten durch den internistischen Rheumatologen - insbesondere bei multimorbiden (vielfach erkrankten) Patienten- sehr wichtig.

Sowohl im ambulanten, als auch im stationären Bereich gibt es Lücken in der Versorgung von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Diese Lücken wurden im Abschnitt „Rheumatologie in Hamburg“ aufgezeigt.

Auch in der Aus- und Weiterbildung von nicht in der Rheumatologie tätigen Ärzten gibt es leider erhebliche Defizite (Lücken schon oben verwendet) was die Diagnostik und (Mit)Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen betrifft. Dies hängt mit dem Mangel an Rheumatologen in (Lehr-) Krankenhäusern und vor allem auch Universitätskliniken, fehlendem Studentenunterricht mit rheumatologisch-immunologischen Inhalten und somit einem fehlenden Bewusstsein für die Häufigkeit und Schwere entzündlich-rheumatischen Krankheitsbilder bei den behandelnden Ärztinnen und Ärzten.

Die Kooperativen Rheumazentren sollen helfen, die rheumatologische Fachkompetenz vor Ort zu bündeln, besser kenntlich und sichtbar zu machen und so den Weg für die betroffenen Patienten und die behandelnden Kollegen zu einem geeigneten Spezialisten erleichtern.Hierdurch soll nicht nur die Zeit von den ersten Symptomen bis zur eindeutigen Diagnose verkürzt werden, sondern auch die Zeit bis zur Einleitung einer effektiven Therapie und somit der Krankheitsverlauf positiv beeinflusst und Spätschäden verhindert werden.

Was kann das Kooperative Rheumazentrum Hamburg hier tun?

  1. Auf der Homepage kann man alle rheumatologisch tätigen und interessierten Ärzte in Hamburg finden, die Mitglieder des Rheumazentrums sind. Die Kontaktdaten sind ebenfalls dort einsehbar

  2. Über das Sekretariat des Rheumazentrums sollen zukünftig zentral Notfalltermine vergeben werden, je nachdem, welcher Rheumatologe gerade freie Termine für Notfälle dort gemeldet hat. Hierfür kann ein Faxformular von der Homepage heruntergeladen werden.

  3. Durch die enge Vernetzung der Spezialisten innerhalb des Rheumazentrums können Patienten rasch den Weg in eine geeignete Spezialsprechstunde, operativ tätige rheumatologische Orthopädie, stationär in eine rheumatologische Akutklinik oder Rehabilitation, aber auch zu spezialisierten Fachärzten anderen Disziplinen, die mit dem Rheumazentrum kooperieren (Beispiel: Uveitis-Sprechstunde oder Dermatologische Sprechstunden für Autoimmunerkrankungen) vermittelt werden.

  4. Das Rheumazentrum organisiert selber Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen für Ärzte und Patienten, und bietet auf der Homepage die Möglichkeit, einen Veranstaltungskalender einzusehen

  5. Über die Homepage werden den Patienten und Ärzten Links zu wichtigen anderen Institutionen angeboten (Rheumaliga, Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie, Selbsthilfegruppen etc.), auf deren Websites fundierte Informationen zu den jeweiligen Krankheitsbildern, aber auch fachliche Unterstützung erhältlich sind.

  6. Ziel des kooperativen Rheumazentrums ist es vor allem auch, die verschiedenen Fachdisziplinen, die bezüglich der Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zusammenarbeiten, und die hier interessierten Fachkollegen unter einem Dach zu bündeln und in einen noch engeren fachlichen Austausch zu bringen (Nephrologen, Ophthalmologen, Dermatologen, Neurologen, Osteologen, Gastroenterologen, Kardiologen, Physiotherapeuten, Rheumatologische Fachangestellte).

  7. Eine enge Einbindung der lokalen Rheumaliga soll angestrebt werden

  8. Mittelfristig sind Projekte wie eine Vernetzung der Studienambulanzen, zentrale Information über Studien mit und für rheumatologische Patienten in Hamburg, Express-Sprechstunden etc. geplant

 

Weitere Informationen zur Arbeitsgemeinschaft Regionaler Kooperativer Rheumazentren finden Sie unter:

https://www.dgrh.de/Start/DGRh/Gesch%C3%A4ftsstelle/AG-Regionale-Kooperative-Rheumazentren.html